Wofür ist das Universum da?

Bei philosophischen Fragen lohnt es sich oft, andere Fragen vorzuschalten. Man antwortet nicht direkt, sondern versucht, die Frage selbst erst genauer einzukreisen.

Die Frage, wofür das Universum da ist, gehört zu den Fragen nach dem Zweck von Sachen.

Solche Fragen stellen wir uns typischerweise, wenn wir auf einen Gegenstand stoßen, den wir nicht kennen, der aber offenkundig von Menschenhand geschaffen wurde. Im Elektronikhandel liegt ein Gerät im Regal, das wir noch nie gesehen haben: Wir nehmen es in die Hand, drehen es hin und her, lesen ratlos den Namen auf der Verpackung und fragen vielleicht am Ende jemanden, der sich auskennt: „Wofür ist das da?“ Das Gerät kann dazu dienen, uns das Leben zu erleichtern oder uns Vergnügen zu bereiten, immer aber steckt dahinter jemand, der es hergestellt hat.

Der Hersteller des Universums wird Gott oder Jahwe oder Allah genannt – je nach Religion. Religiöse Menschen gehen meist davon aus, dass Gott gute Absichten verfolgt. Das Universum, das er hergestellt hat, muss demnach für einen guten Zweck da sein. Welcher dies ist, ist allerdings nicht so klar. Wofür könnte Gott das Universum gemacht haben?

Wie auch immer die Antwort lauten mag: Sie steht und fällt damit, dass es Gott gibt. Und wenn es ihn nicht gibt? Dann ist die Frage nach dem „wofür“ des Universums schlicht witzlos. Die Frage beruht auf einer falschen Voraussetzung, und daher gibt es darauf keine vernünftige Antwort.

Fragen nach dem Zweck stellen wir uns allerdings nicht nur bei Produkten, sondern auch bei Prozessen und Handlungen. Hier formulieren wir die Frage anders: Sie lautet nicht, wofür etwas da ist, sondern worauf die Handlung oder der Prozess hinauslaufen und welches Ziel damit erreicht werden soll. Auch diese Frage könnte man auf das Universum münzen: Worauf läuft seine Entwicklung hinaus? Gibt es so etwas wie ein letztes Ziel, dem das  Universum selbst entgegenstrebt?

Hier stoßen wir aber auf ein ähnliches Problem wie bei der Frage nach dem Wofür des Universums. Nur Wesen, die etwas wollen und eine gewisse Intelligenz haben, verfolgen Ziele. Solche Wesen gibt es natürlich, Menschen gehören dazu. Das Universum als Ganzes ist, soweit wir wissen, kein solches Wesen. Nichts weist darauf hin, dass das Universum etwas erreichen will, indem es sich zum Beispiel ausdehnt. Auch die Frage nach dem Wozu der Prozesse, die man am Himmel beobachten kann, läuft also ins Leere. Sie beruht ebenfalls auf einer falschen Voraussetzung, und daher gibt es erneut keine vernünftige Antwort.

Dennoch hören wir Menschen nicht auf, danach zu fragen. Eine klare Nacht, der gestirnte Himmel über uns: Wer käme da nicht ins Grübeln darüber, ob all das nicht irgendeinen höheren Zweck hat? Der Anlass dieser Frage liegt aber vielleicht nicht in den Sternen, sondern in uns selbst. Angesichts der Dimensionen des Universums fragen wir uns, welche Bedeutung die eigene, vergleichsweise winzige Existenz hat. Als Menschen wünschen wir uns, dass unser Leben einen Sinn hat. Worin der Sinn des Lebens liegen könnte, wäre eine neue Frage an Sophie.

Dr. Sibille Mischer

Philosophisches Seminar

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