Gab es erst die Henne oder das Ei?

Auch, wenn das sogenannte „Henne-Ei-Problem“ schon seit der Antike ein philosophischer Dauerbrenner ist, kann es doch aus biologischer Sicht ganz eindeutig beantwortet werden: das Ei!

Alle Tiere, sogar Schwämme und Korallen, pflanzen sich über Spermien und Eizellen fort. Bei vielen Tieren – vor allem denen, die im Wasser leben – sind die Eier noch relativ klein und dünnwandig. Beim Übergang vom Leben im Wasser zum Leben an Land haben sich dann bei den Vorfahren der heutigen Reptilien, Vögel und Säugetiere größere Eier mit einer härteren Schale herausgebildet, die es den Tieren erlaubten, die Eier an Land abzulegen. Diese Eier enthalten neben der eigentlichen Eizelle auch sehr viel Dotter als Nährstoff für den heranwachsenden Fötus und mehrere Hüllen, die das Austrocknen des Eies während der Entwicklung verhindern. Bei der Befruchtung im Eileiter der Weibchen sind die Eier noch relativ klein und dünnwandig, nach der Befruchtung entsteht dann im Eileiter das fertige Ei mit fester Hülle, welches an Land abgelegt wird.

Während die Reptilien und Vögel sich auch heute noch auf diese Weise fortpflanzen, sind die Säugetiere im Zusammenhang mit der Entwicklung des Embryos im Körper der Mutter im Laufe der Evolution wieder zu sehr kleinen und dünnwandigen Eiern zurückgekehrt.

Vögel sind, biologisch betrachtet, eine relativ moderne und nicht ausgestorbene Untergruppe der Dinosaurier. Soweit wir wissen, legten alle Dinosaurier Eier, die den gleichen Aufbau aufwiesen wie die heutigen Vogeleier. Das Ei vom Typ „Hühnerei“ gab also schon lange, bevor Hühner, ja überhaupt Vögel existierten. Im Laufe der Evolution haben sich dann langsam, über viele Millionen von Generationen, die Tiere verändert, die sich aus diesen Eiern entwickelten – bis hin zu den heute lebenden Hühnern, Spatzen oder Adlern.

Damit ist klar: Es gab schon viele Millionen Jahre lang Eier, ehe sich die heutigen Hühner aus ihren Vorfahren entwickelten.

Dr. Harald Kullmann

Zentrum für Didaktik der Biologie

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