Warum gibt es bei den französischen Königen zweimal Karl III.?

Es handelt sich nur um eine scheinbare Dopplung, denn eigentlich wird in der französischen Herrscherliste nur Karl „der Einfältige“ als westfränkischer bzw. französischer Herrscher gezählt. Sein älterer Verwandter, Karl „der Dicke“, war Herrscher des Ostfrankenreiches und trägt als solcher die Ordnungszahl drei.

Diejenigen Historiker, die Karl dem Einfältigen die Zahl drei zuwiesen, brachten damit zum Ausdruck, daß sie die zwischenzeitliche Herrschaft Karls des Dicken im Westfrankenreich nicht als eigenständige oder legitime Herrschaft betrachteten. Zu beachten ist dabei aber, daß für die Zeitgenossen die Zählung wenig Bedeutung hatte und vermutlich häufig auch unbekannt war. Nur für Historiker, die mehrere Herrscher vergleichen oder längere Zeiträume überblicken, ist es von Bedeutung, namensgleiche Herrscher zu unterscheiden; für Zeitgenossen besteht eine solche Notwendigkeit zumeist nicht.

Interessanter und paradoxer erscheint eine Doppelung in der deutschen Geschichte, denn man kann die Frage, „Welcher Kaiser hatte die längste Regierungszeit?“, mit Hinweis auf den Habsburger Friedrich III. (1440 bzw. 1452 bis 1493) richtig beantworten, aber auch die Frage „Welcher Kaiser hatte die kürzeste Regierungszeit“, könnte mit Bezug auf den Hohenzollern Friedrich III. beantwortet werden, der im Jahr 1888 für nur 99 Tage an der Spitze des sogenannten zweiten Kaiserreiches stand. Letzterer hat die Ordnungszahl aufgrund der Zählung der preußischen Könige; für den „Deutschen Kaiser“ des Bismarckreiches wurde weder eine neue Kaiserzählung begonnen (mit Nummer 1, was dann aber eine Differenz zur preußischen Königszählung bedeutet hätte), noch wurde die mittelalterliche Zählung der römisch-deutschen Kaiser fortgesetzt, was ebenfalls einen Unterschied zur preußischen Königszählung impliziert hätte.

Prof. Dr. Wolfram Drews

Historisches Seminar – Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte II

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