Zur Bezeichnung für die Bewohner:innen eines Landes – und auch des jeweiligen Landes selbst – stehen unterschiedliche sprachliche Möglichkeiten zur Verfügung. Für Länder bzw. Staaten finden sich so neben der Zusammensetzung mit dem Zweitbestandteil -land (wie z.B. in Finnland und Deutschland) z.B. zahlreiche Ländernamen auf -en (wie in Polen, Ägypten oder Syrien), auf -ien (wie in Spanien, Äthiopien und Jordanien) oder bei Ländernamen im Femininum auf -ei (wie in Türkei oder Mongolei).
Bei der Bezeichnung der Bewohner:innen dieser Länder wird die Sache noch komplexer. Selbst innerhalb eines Bezeichnungsmusters für das jeweilige Land existieren nämlich wieder unterschiedliche Möglichkeiten zur Bezeichnung der Menschen, die in diesem Land leben. So sind es die Türken und Türkinnen, die in der Türkei wohnen, doch nicht die Syren und Syrinnen, die in Syrien zu Hause sind. Diese Vielfalt gibt es eben auch bei Ländernamen auf -land. Wir treffen im Urlaub vielleicht auf Isländer und Isländerinnen, Niederländer und Niederländerinnen – Finnländer und Finnländerinnen werden wir aber selbst in Finnland nicht antreffen. In Thailand haben wir wenigstens die Wahl: Dort geht der erste Bestandteil des Ländernamens – wie in Deutschland – auf das Wort für Volk zurück – wir können uns aber mit Thai an den Strand setzen; oder mit Thailändern und Thailänderinnen.
Für die Bezeichnung der Einwohner:innen Deutschlands gibt es diese Wahlmöglichkeit nicht. Woran mag das liegen? Ein möglicher Erklärungsansatz liegt in der Geschichte des Wortes deutsch. Nach vereinzelten früheren Belegen findet man das Wort als zusammenfassende Bezeichnung für die Sprache z.B. der Franken, Baiern, Langobarden und Sachsen ab etwa 1100 häufiger. Das Wort deutsch geht dabei zurück auf das germanische Wort für Volk und bedeutet so viel wie „zum Volk gehörig“. Deutschland ist dann das Land derjenigen, die zu einem bestimmten Volk gehören. Die Bildung Deutschländer wäre also doppelt gemoppelt, stecken doch die Bewohner:innen schon im ersten Bestandteil. Der Kontrast zu Island macht das noch einmal deutlich: Island heißt übersetzt „Eisland“: Die Gründe liegen auf der Hand. Der erste Wortteil beschreibt hier eine Eigenschaft des Landes, nicht die Personen, die dort wohnen. Um die Menschen in und aus Island zu bezeichnen brauchen wir ein weiteres sprachliches Mittel und hängen deswegen das für Personenbezeichnungen gängige -er an den Ländernamen an: Isländer bzw. Isländerinnen sind dann diejenigen, die im Eisland wohnen.
Insgesamt gibt es sowohl zur Bildung von Ländernamen als auch für die Bezeichnung ihrer Bewohner:innen also jede Menge Möglichkeiten im Deutschen. Manchmal kann uns die Sprachgeschichte Anhaltspunkte dafür geben, warum im konkreten Fall genau diese und keine andere Möglichkeit genutzt wird – manchmal kann man aber auch nicht wirklich sagen, warum eine Variante in einem Fall funktioniert, im anderen nicht.
Zum Nach- und Weiterlesen:
Nübling, Damaris (2015): Namen. Eine Einführung in die Onomastik. Tübingen: Narr Francke Attempto. (=Narr Studienbücher).
Schmidt, Wilhelm/Langner, Helmut/Wolf, Norbert Richard (2007): Geschichte der deutschen Sprache. Ein Lehrbuch für das germanistische Studium. Stuttgart: Hirzel.