Warum müssen Babys immer so viel schlafen?

Die Antwort auf die Frage ist tatsächlich relativ kurz, aber nicht wirklich einfach zu verstehen. Babys schlafen so viel, weil sie noch so viel lernen müssen. Klingt komisch, oder? Wenn wir als Babys zur Welt kommen, dann haben wir vorher im Bauch viel Zeit damit verbracht, zu wachsen, zu wachsen und noch mehr zu wachsen. Für das Lernen blieb da nicht so viel Zeit. Deswegen haben wir in den 9 Monaten im Bauch nur die Dinge gelernt, die wir als Baby sofort können müssen, weil uns dabei keiner wirklich helfen kann: zum Beispiel zu schreien, wenn wir Hunger haben, die Milch selber zu trinken oder die Windel voll zu machen. Nach der Geburt sind wir in den ersten Monaten auf einmal ganz vielen Dingen ausgesetzt, die wir vorher noch nie erlebt haben: Wir können mit den Augen Tiere und Menschen sehen, wir können hören, wie die Autos brummen, wir können fühlen, wie weich ein Schlafsack ist, wir können riechen, wenn jemand in der Küche kocht und wir können die Milch und den ersten Brei schmecken. Alle diese Eindrücke werden im Gehirn gesammelt. Und weil es für ein kleines Babygehirn viel zu anstrengend ist, sich das alles auf einmal zu merken, benutzt es den Trick mit dem Schlaf: Alle Sinnesorgane wie Ohren, Mund, Nase, Hände und Augen werden im Schlaf für einen Moment in den „Stand-by-Modus“ gesetzt. Die Dinge, die man wach erlebt hat, können dann im Gehirn in Merk-Schubladen sortiert werden, damit man diese später besser wiederfindet. So weiß das Baby das nächste Mal, dass der Brei lecker schmeckt, wie man einen Bauklotz hochhebt oder welches Gesicht zu Mama und welches zu Papa gehört. Schlafzeit ist also Lernzeit für das Babygehirn.

Genau genommen gibt es sogar 2 Arten von Schlaf: den Traumschlaf und den Tiefschlaf. Beide sind wichtig, aber beim Baby und kleinen Kindern ist der Traumschlaf noch viel mehr vorhanden als bei Jugendlichen oder Erwachsenen. Denn im Traumschlaf kann das Gehirn die Dinge besonders gut sortieren und lernen. Der Tiefschlaf ist dazu da, dass auch das Gehirn selbst mal eine Pause machen darf. Viele Experimente haben schon gezeigt, wie wichtig Schlaf für Babys, Kinder und Erwachsene ist. So konnten zum Beispiel kleine Kinder, die zum ersten Mal neue Wörter gehört haben, sich besser an die Wörter erinnern, wenn sie danach geschlafen haben. Das Gehirn hat sie dann einfach direkt in die richtige Schublade gelegt und somit war das neue Wort gut gelernt. Je älter man wird, desto mehr verschiebt sich das Lernen vom Schlaf in den Wachzustand. Auch deswegen müssen Schulkinder und Erwachsene nicht mehr so viel schlafen wie Babys. Trotzdem bleibt der Schlaf sehr wichtig: Erstens kann nur ein ausgeruhtes Gehirn im Wachzustand gut lernen, zweitens werden auch beim älteren Gehirn noch Dinge im Schlaf in Schubladen sortiert.

Dr. med. Matthias von Heydebrand

Klinik für Kinder- und Jugendmedizin – Pädiatrische Kardiologie, Universitätsklinikum Münster

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