Warum wird so wenig Forschung in chemisches Recycling gesteckt?

Forschung zu chemischem Recycling hat in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen (siehe Abbildung 1). Während im Jahr 2000 nur 80 wissenschaftliche Artikel zum Thema Chemie und Recycling publiziert wurden, wurde im Jahr 2022 mit 1.300 Veröffentlichungen ein neuer Spitzenwert erreicht. Insgesamt wurden seit 1980 knapp 15.000 wissenschaftliche Artikel zu chemischem Recycling publiziert. Gemessen an der Anzahl der Publikationen nimmt Deutschland dabei nach den USA und China übrigens den dritten Rang ein.

Abbildung 1: Anzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen (Suchworte: „Chemistry“ und „Recycling“)

Darüber hinaus ist die Bandbreite an Forschung zu Recycling groß. So forschen Wissenschaftler*innen weltweit beispielsweise am Kohlenstoffrecycling, nachhaltigen Polymeren, die leichter recyclebar sind, und dem Konzept der zirkulären Chemie, um den Übergang in die Kreislaufwirtschaft zu bereiten. Auch im Fachbereich Chemie und Pharmazie der Universität Münster wird aktiv zum Thema Recycling geforscht, beispielsweise im Kontext von Lithium-Ionen Batterien.

Die Vielfalt der Forschungsthemen spiegelt sich auch in der Bedeutung des Themas Recycling in der Chemie wider. So zählt die American Chemical Society (ACS) das Thema „Thermochemische Verarbeitung von Abfällen und Biomasse“ zu den Top10 der aktuellsten Forschungsthemen in der Chemie.

Ein weiterer Indikator für die hohe Bedeutung von chemischem Recycling ist der Anstieg an Patenten. Ein Patent ist ein gewerbliches Schutzrecht. Im Vergleich zu einer Veröffentlichung spiegelt es also einen reiferen Entwicklungsstand wider und kann das Ergebnis anwendungsorientierter Forschung sein. Wurden im Jahr 2000 weltweit noch 588 Patente mit Bezug zu chemischem Recycling vergeben, waren es im Jahr 2022 bereits mehr als 3.200.

Insgesamt kann man daher feststellen, dass es zunehmend Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zum Thema chemisches Recycling gibt. Allerdings ist chemisches Recycling komplex und der Transfer von Forschungsergebnissen in die industrielle Anwendung nicht trivial. Es dauert daher oft lange, bis neue Recyclingverfahren den Weg aus der Wissenschaft in die Praxis finden.

Literatur:

Aresta, M., Dibenedetto, A., & Angelini, A. (2014). Catalysis for the valorization of exhaust carbon: from CO2 to chemicals, materials, and fuels. Technological use of CO2. Chemical Reviews, 114 (3), 1709-1742.

Keijer, T., Bakker, V., & Slootweg, J. C. (2019). Circular chemistry to enable a circular economy. Nature Chemistry, 11 (3), 190-195.

Neumann, J., Petranikova, M., Meeus, M., Gamarra, J. D., Younesi, R., Winter, M., & Nowak, S. (2022). Recycling of lithium‐ion batteries—current state of the art, circular economy, and next generation recycling. Advanced Energy Materials, 12 (17), 2102917.

Zhu, Y., Romain, C., & Williams, C. K. (2016). Sustainable polymers from renewable resources. Nature, 540 (7633), 354-362.

https://axial.acs.org/2022/07/08/10-hot-topics-in-chemistry-so-far-in-2022/

Jun.-Prof. Dr. Stephan von Delft

Institut für betriebswirtschaftliches Management im Fachbereich Chemie und Pharmazie

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