Wie können sich Eichhörnchen daran erinnern, wo sie die Nüsse versteckt haben? Können sie denken?

Eichhörnchen scheinen sich tatsächlich gut daran erinnern zu können, wo sie im Herbst ihre Nüsse versteckt haben. In Experimenten fand man heraus, dass sie nicht einfach nur zufällig herumsuchen, sondern tatsächlich häufiger ihre eigenen Verstecke wiederfinden als die, die von anderen Eichhörnchen im selben Gebiet angelegt wurden. Im Nahbereich hilft ihnen dann ihr hervorragender Geruchssinn, um die vergrabene Nahrung aufzufinden. Bei Fuchshörnchen – das sind amerikanische Verwandte unseres Eurasischen Eichhörnchens – konnte man beobachten, dass die Tiere verschiedene Nusssorten an verschiedenen Orten versteckten. Dadurch ordnen sie ihre Verstecke gewissermaßen, was ihnen beim Wiederfinden helfen könnte. Auch sonst scheinen Eichhörnchen ein sehr gutes Gedächtnis zu haben: Amerikanische Eichhörnchen konnten sich bei einem Experiment auch nach 22 Monaten noch daran erinnern, wie sie einen Hebel bewegen müssen, um an eine Nuss zu gelangen.

Oft finden Eichhörnchen ihre Verstecke aber auch nicht wieder. Die vergessenen Nüsse und Samen können dann im nächsten Frühjahr auskeimen – ein wichtiger Verbreitungsmechanismus für viele Pflanzen. Andererseits finden Eichhörnchen auch regelmäßig die Verstecke anderer Eichhörnchen, die sie dann ganz schamlos ausplündern. Um sich davor zu schützen, haben Eichhörnchen eine clevere Strategie entwickelt: Tiere, die bemerken, dass sie beim Anlegen eines Verstecks von einem anderen Eichhörnchen beobachtet werden, machen so weiter, als hätten sie nichts bemerkt – aber sie legen einfach keine Nüsse in das vermeintliche Versteck!

Ob Eichhörnchen denken können, ist gar keine so einfache Frage. Dazu muss man zunächst einmal klären, was man mit „Denken“ überhaupt meint. Wie alle Säugetiere haben Eichhörnchen ein sehr komplex aufgebautes Gehirn: Sie haben ein gutes Erinnerungsvermögen, sie sind in der Lage, in Experimenten Probleme zu lösen, sie kommunizieren untereinander und sie können Lernen. Wenn man das als „Denken“ bezeichnen möchte, dann können sie denken. Im Einzelfall ist es aber oft schwer zu unterscheiden, ob ein bestimmtes, sinnvolles Verhalten das Ergebnis eines (bewussten) Denkprozesses oder ein angeborener Instinkt (= Naturtrieb) ist.

Erinnerungsvermögen und „Denken“ sind zwei verschiedene Dinge, die nur indirekt miteinander zusammenhängen. Das möchte ich an einem einfachen (und etwas plakativen) Beispiel veranschaulichen: Wir Menschen können im Vergleich zu allen anderen Tieren ohne Zweifel hervorragend denken, aber wir erinnern uns morgens oft nicht daran, wo wir abends unseren Hausschlüssel hingelegt haben. Bienen hingegen sind mit ihren relativ kleinen Gehirnen zwar nicht in der Lage, komplexe Probleme durch Nachdenken zu lösen, aber sie haben ein exzellentes Ortsgedächtnis und finden ihre Nahrungsquellen auch in vielen hundert Meter Entfernung zielsicher wieder.

Dr. Harald Kullmann

Zentrum für Didaktik der Biologie

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