Wieso freut man sich über steigende Kurse nach einem Börsengang?

Dies ist eine wirklich spannende ökonomische Frage, die letztlich aus zwei Perspektiven betrachten kann: ex post (nachträglich) und ex ante (vorab).

Aus der ex post Perspektive ist es relativ leicht verständlich, warum man sich als Aktionär, unabhängig ob man vor oder beim Börsengang in das Unternehmen investiert hat, über einen Kursanstieg freut. Gegeben des einmal festgelegten Ausgabepreises „gewinnen“ nämlich beide Gruppen sowohl die neuen als auch die alten Aktionäre. In den allermeisten Börsengängen verkaufen Altaktionäre nämlich nur einen (relativ geringen) Anteil ihrer Aktien. Je nach Zeitraum und Markt den man betrachtet sind dies im Schnitt ungefähr nur 15% bis 35% der Aktien. Das heißt die Altaktionäre besitzen im Schnitt auch nach dem IPO immer noch 65% bis 85% des Unternehmens und profitieren so direkt von einem Preisanstieg. Hinzukommt, dass ein gelungener Börsengang mit einem Kursanstieg am ersten Handelstag viel positive Publizität für das Unternehmen bedeutet.

Die ex ante Perspektive ist etwas komplizierter aber auch hier zeigt sich, dass ein Preisanstieg am ersten Handelstag im Interesse aller Beteiligten ist. Vereinfacht könnte man sagen, dass Altaktionäre den maximal möglichen Ausgabepreis für ihre Aktien erreichen möchten. Das heißt, wenn alle Marktteilnehmer perfekt informiert wären und es keinerlei Unsicherheit geben würde, dann sollte sich der Ausgabepreis und der Preis am ersten Handelstag nicht unterscheiden. In einem Markt mit perfektem Wettbewerb würden die neuen Aktionäre einfach den fairen Preis pro Aktie zahlen. Sofern am ersten Handelstag keine neuen Informationen zum Geschäft des Unternehmens bekannt würden sollte sich dieser dann auch nicht ändern. Leider ist die Welt etwas komplizierter und die Teilnahme an einem Börsengang ist mit nicht unerheblichen Risiken für Anleger verbunden. Damit sie bereit sind diese Risiken zu tragen, müssen sie mit einem zusätzlichen Gewinn entlohnt werden. Die Rendite am ersten Handelstag ist dieser kompensierende Gewinn. Letztlich gewinnt man bei Börsengängen als Anleger im Schnitt, damit man für die Fälle „entschädigt“ wird bei denen man Verlust macht. Wäre das nicht so, würden sich die Anleger von Börsengängen zurückziehen und diese würden somit scheitern. Investmentbanken müssen daher immer beide Seiten im Blick haben die Alt- und die Neuaktionäre. Wenn eine Gruppe zu viel gewinnt auf Kosten der anderen, dann zerstört das mit der Zeit das Ansehen der jeweiligen Investmentbank und erhält entweder keine Aufträge mehr für Börsengänge oder Investoren sind nicht mehr bereit bei ihren Börsengängen mitzumachen (diese zu zeichnen). Investmentbanken kommt also eine wichtige Mittlerrolle in diesem Markt zu, einerseits die Aktien der Altaktionäre bestmöglich zu verkaufen und andererseits für eine risikogerechte Rendite für die neuen Anleger zu sorgen.

Prof. Dr. Christoph Schneider

Finance Center Münster

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