Wieviel Müll fliegt im Weltall herum?

Am 4. Oktober 1957 startete mit Sputnik 1, dem ersten künstlichen Erdsatelliten, auch die Ära der Verschmutzung des Weltraums durch menschliche Hinterlassenschaften. Seit diesem Ereignis wurden tausende weitere künstliche Objekte von Menschen in den Weltraum gebracht. Dabei handelt es sich nicht nur um erdumkreisende Satelliten, die uns mit Funk, Internet und Fernsehen versorgen oder uns den Weg auf unbekannten Straßen weisen, sondern auch um deren Transportgeräte, z.B. ausgebrannte Raketenoberstufen. Neben den zivil genutzten Satelliten gibt es auch zahllose militärisch genutzte Satelliten zu denen tatsächlich auch die GPS-Satelliten gehören. Über die Jahre hat nicht nur die Anzahl der aktiv genutzten Objekte zugenommen, sondern auch die Anzahl der Objekte die nicht mehr genutzt werden. Für die Raketenoberstufen tritt das Ende der Nutzung naturgemäß ein, wenn der Satellit im Erdorbit ausgesetzt wurde. Sie treiben dann führungslos dahin, wenn sie nicht aktiv wieder in die Erdatmosphäre zurück gesteuert werden, wo sie mehr oder weniger vollständig verglühen. Normalerweise landen die Überreste in einem speziell dafür vorgesehenen Gebiet vor der Westküste von Australien. Treibstoffreste in den Tanks können dann auch das Meer dort verschmutzen. Große Teile von Satelliten verglühen nicht vollständig und hin und wieder gibt es Fälle eines unkontrollierten Wiedereintritts in die Erdatmosphäre. Dabei könnten Trümmerteile auch über bewohntem Gebiet niedergehen. Große Teile der Erdoberfläche sind aber sehr dünn besiedelt (Ozeane, Wüsten) und die Gefahr von Trümmern getroffen zu werden, ist relativ gering. Größere Teile der US Raumstation Skylab sind beispielsweise 1979 über West-Australien vom Himmel gefallen.

In der Frühzeit der Raumfahrt war das Bewusstsein zur Verschmutzung des erdnahen Weltraums so gut wie nicht vorhanden, so dass aus dieser Zeit immer noch viele tote Satelliten oder Raketenstufen ihre Bahn um die Erde und auch um die Sonne ziehen. Die Anzahl der künstlichen Erdsatelliten wurde 1981 auf ca. 5.000 Objekte geschätzt. 2005 waren es bereits 13.000 Objekte, 2011 waren es 22.000 und bis zum Juli 2013 stieg die Anzahl der Objekte größer 10 cm auf 29.000. Die Objekte größer als 10 cm können vom Boden aus mit Radar verfolgt und überwacht werden. Hin und wieder kommt es zwischen diesen Objekten zu Kollisionen was eine Vielzahl kleinerer Bruchstücke hervorbringt, die wiederum anderen Objekten gefährlich werden können. So lag die Anzahl der kleineren Objekte (1 – 10  cm) im Jahr 2013 bei etwa 670.000 und die Anzahl noch kleinerer Objekte wurde auf 170 Millionen geschätzt. Dabei können selbst winzige Bruchstücke von nur wenigen Millimetern Größe große Schäden verursachen, da die Kollisionsgeschwindigkeiten im niedrigen Erdorbit (200 – 2.000 km Höhe) bei etwa 11 km/s liegen. Am 10. Februar 2009 kollidierte der aktive Telekommunikationssatellit Iridium 33 mit einem ausgedienten russischen Militär Satelliten (Kosmos-2251) bei einer Geschwindigkeit von 11,7 km/s (42.000 km/h) 789 km über Sibirien. Diese Kollision produzierte zunächst ca. 1.000 Bruchstücke größer als 10 cm. Fünf Monate später stieg die Anzahl auf über 2.000 Bruchstücke größer 10 cm durch weitere Kollisionen der Bruchstücke in den beiden Trümmerwolken die auch weiterhin die Erde umkreisen. Diese Zahlen zeigen, dass die Gefahr durch zufällige Kollisionen mit Weltrauchschrott dramatisch zunimmt. Zu allem Überfluss gab es von den militärischen Einrichtungen verschiedener Nationen auch das Bestreben der Welt zu zeigen, dass sie in der Lage sind Satelliten vom Boden aus zu zerstören. Diese Antisatellitentests haben weitere tausende Bruchstücke beigetragen, die intakte Satelliten gefährden. Darunter auch bemannte Raumfahrzeuge wie die Internationale Raumstation (ISS), die zwar über leichte Schutzschilde verfügt aber selbst durch kleine Objekte von wenigen Zentimetern Größe bereits schwer beschädigt werden könnte. Die Raumstation befindet sich in einem tiefen Orbit bei ca. 400 km Höhe. Das heißt die Trümmer der vorgenannten Satellitenkollision fliegen über sie hinweg aber durch die immer noch vorhandene Restatmosphäre der Erde in diesen Höhen werden die Trümmerstücke abgebremst und driften langsam in niedrigere Orbithöhen und können die ISS irgendwann treffen. Es kommt immer wieder vor, dass die ISS Weltraumschrott ausweichen muss. Diese Manöver stören nicht nur die wissenschaftlichen Experimente an Bord, sondern gefährden auch das Leben der Astro- und Kosmonauten dort. Wenn die Trümmer im Erdorbit nicht aktiv entfernt werden, führen die gemeinsamen Kollisionen zum sogenannten Kessler-Syndrom (am Anfang des Films „Gravity“ zu sehen), dass den erdnahen Weltraum zu einer sehr gefährlichen Umgebung für alle Arten der Raumfahrt macht. Die Menschheit wäre dann für Jahrhunderte auf der Erde gefangen. Die Restatmosphäre der Erde kann in niedrigen Orbits kleine Objekte effektiv abbremsen und zum Absturz bringen. Große Objekte in hohen Orbits hingegen bleiben dort für hunderte oder tausende von Jahren, wenn sie nicht aktiv entfernt werden. Dazu gibt es zahlreiche Überlegungen und erste Tests laufen. Weiterhin werden ausgediente Satelliten nun häufiger entweder in dichtere Schichten der Erdatmosphäre gesteuert, wo sie verglühen oder besonders von hohen geostationären Orbits (~36.000 km Höhe) in noch höher liegende „Grave Yard“ – Orbits (orbitale Friedhöfe) gebracht, um funktionstüchtige Satelliten nicht zu gefährden. Es ist nicht absehbar, dass die Anzahl der Satellitenstarts abnimmt. Das Gegenteil ist der Fall. Erst kürzlich wurde mit der SPACE X TRANSPORTER-1 Mission mit 143 transportierten Satelliten ein neuer Rekord aufgestellt. Das gleiche Unternehmen transportiert auch 60 Starlink Satelliten mit einem einzigen Start in den Orbit. Mit dem künftigen Starship sollen es dann 400 Starlink – Satelliten sein, die zusammen den Orbit erreichen. Die komplette Starlink Konstellation soll einmal 40.000 Satelliten umfassen, die an jedem Punkt auf der Erde Internetzugang ermöglichen sollen. Neben Starlink gibt es noch weitere Unternehmen mit ähnlichen Vorhaben. Immerhin sind diese Satelliten dafür ausgerüstet, am Ende ihres Lebens zur Erde zurückzukehren und in der Atmosphäre zu verglühen.

Sputnik 1 ist übrigens am 4. Januar 1958 wieder in die dichte Erdatmosphäre eingetreten und verglüht.

Dr. Nico Schmedemann

Institut für Planetologie

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