Wo ist das Glühwürmchen geblieben?

Warum sieht man es nicht mehr? Kommt es wieder?

Für die Antwort stellt sich zunächst die Frage, was ist ein Glühwürmchen überhaupt?

Eigentlich haben Glühwürmchen nichts mit Würmern zu tun, es sind Käfer. In Deutschland gibt es drei Arten: das Große Glühwürmchen (Lampyris noctiluca), das Kleine Glühwürmchen (Lamprohiza splendidula) und den Kurzflügel-Leuchtkäfer (Phosphaenus hemipterus). Weltweit gibt es schätzungsweise 2000 Arten von Leuchtkäfern.

Die Weibchen dieser drei Arten haben keine Flügel (daher der deutsche Name Glühwürmchen und nicht Glühfliege, wie die amerikanischen „fireflies“). Die Männchen der ersten beiden Arten können fliegen. Die erwachsenen Glühwürmchen sind nur in den Sommernächten aktiv, den Rest des Jahres befinden sie sich in den unreifen Lebensstadien. Die Larven der Glühwürmchen sind Schneckenräuber (und daher Erntehelfer).

Vor allem erwachsene Glühwürmchen sind sehr lichtstark. Sowohl Männchen als auch Weibchen dieser Arten glühen, um sich gegenseitig ihre Position anzukündigen. Dass wir dieses Spektakel auch genießen, ist einem Glühwürmchen nicht bewusst. Dies gilt übrigens aber nur für zwei der drei Arten, der Kurzflügel-Leuchtkäfer hat nur „reliktäre Leuchtorgane“, die im Larvenstadium sehr schwaches Licht erzeugen.

Wo ist das Glühwürmchen geblieben?

Das Große Glühwürmchen ist in Deutschland weit verbreitet, aber nicht mehr zahlreich, das Kleine Glühwürmchen gibt es lokal verbreitet häufig (aber sehr selten in Norddeutschland), der Kurzflügel-Leuchtkäfer war schon immer selten.

Ist das so, gibt es wirklich weniger Glühwürmchen?

Für Deutschland können wir darüber keine einfachen Aussagen machen. Die Niederlande sind viel besser erforscht als Deutschland, wo Schätzungen zur Populationsentwicklung gemacht werden können. Für das Große Glühwürmchen scheint es keinen Unterschied zwischen dem Zeitraum vor und nach 2010 zu geben (Daten www.waarneming.nl). Es gibt jedoch Schwankungen von Jahr zu Jahr, was bei Insektenpopulationen üblich ist.

Das Kleines Glühwürmchen scheint sich in den Niederlanden sogar vermehrt zu haben. Dies könnte jedoch ein Beobachtereffekt sein: Je mehr Menschen ihre Beobachtungen weitergeben, desto besser scheint es der Art zu gehen. Das gleiche Bild des scheinbaren Anstiegs ist auf europäischer Ebene zu sehen (Daten www.observado.org).

Für die Mehrzahl der Käfer in Deutschland wurde meines Wissens noch keine Rote Liste erstellt, nur für Laufkäfer und wasserbewohnende Käfer gibt es eine solche Liste der gefährdeten Arten.

Von den Tausenden von Käferarten in Deutschland sind nur 60 von der IUCN (Internationale Union zur Bewahrung der Natur) bewertet worden, das sind vor allem Käfer, die in Totholz leben (keiner von ihnen ist ein Glühwürmchen).

Insgesamt fehlt es an ausreichenden Daten, um zu beurteilen, ob Glühwürmchen tatsächlich zurückgegangen sind. Angesichts des sehr schlechten Zustands der Artenvielfalt von Insekten in unserem Land ist ein solcher Rückgang jedoch wahrscheinlich.

Warum sieht man es nicht mehr?

Der allgemeine Rückgang der Artenvielfalt von Insekten ist ein großes Problem und hat eine Vielzahl von Ursachen dazu gehören unter anderem:

  • veränderte Landschaftsnutzung, insbesondere Intensivierung der Landwirtschaft;
  • übermäßige Verwendung von Pestiziden;
  • Luftverschmutzung (u.a. Feinstaub);
  • Boden- und Wasserverschmutzung mit Schwermetallen, Mikroplastik, Überdüngung und Stickstoffdeposition;
  • Klimawandel;
  • Austrocknung.

Diese Kombination menschlicher Aktivitäten hat katastrophale Folgen für unsere Artenvielfalt: Die absolute Menge an Insektenbiomasse hat sich in 25 Jahren um 75 % verringert.

Ein weiterer wichtiger Faktor dafür, dass man die Glühwürmchen nicht mehr sieht, ist die Lichtverschmutzung: Die meisten Menschen leben in Gebieten, in denen es nicht mehr richtig dunkel wird. Dann ist das Licht eines Glühwürmchens nicht mehr wahrnehmbar! Dann sehen wir sie nicht, aber das ist auch ein Problem für die Glühwürmchen selbst: Lichtverschmutzung wirkt sich nachweislich negativ auf Glühwürmchenpopulationen aus.

Es ist hingegen wahrscheinlich, dass der Rückgang der Glühwürmchen nicht auf einen Mangel an Schnecken (die Nahrung der Larven) zurückzuführen ist, wie die meisten Menschen mit einem (Klein)Garten bestätigen werden.

Kommt es wieder?

Das liegt letztlich an uns! Die Bekämpfung der Ursachen des Insektensterbens erfordert einen integrierten Ansatz und politischen Willen. Aber auch als Leser können Sie auf lokaler Ebene etwas bewirken. Gestalten Sie Ihren Garten so natürlich wie möglich (das hilft allen Insekten), verwenden Sie keine Pestizide oder Kunstdünger.

Und gehen Sie auf die Suche nach Glühwürmchen! Es ist wichtig zu wissen, wo sich die Glühwürmchen jetzt befinden, damit diese Populationen geschützt werden können. Ich fordere jeden dazu auf, an warmen Abenden in diesem Sommer einen Spaziergang zu machen und darauf zu achten. Sie können Ihre Beobachtungen über www.observado.org weitergeben.

Von diesen Populationen aus können sie sich wieder ausbreiten. Die Weibchen sind hauptsächlich für die Fortpflanzung zuständig, können aber nicht fliegen. Orte, an denen das Glühwürmchen ausgestorben war, die nun aber wieder einen geeigneten Lebensraum bilden, müssen also für die Weibchen zu Fuß erreichbar sein. Das ist in unserer fragmentierten Landschaft nicht einfach: Käfer-Fußstapfen sind sehr klein! Umso wichtiger ist der Erhalt der aktuellen Populationen. Damit wir und unsere (Enkel-)Kinder dieses schöne Schauspiel noch genießen können.

Glühwürmchen im Wald, Wikimedia Commons, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en

Weitere Infos

Viele zusätzliche zugängliche Informationen, Tipps zum Beobachten und vieles mehr finden Sie unter https://www.gluehwuermchen.ch/

K.W. Harde, G.A. Lohse, H. Freude. 1999. Die Käfer Mitteleuropas, Bd. 6: Diversicornia (Lycidea-Byrrhidae). Goecke&Evers, Krefeld. ISBN 3-87263-027-x, S. 367ff.

H.H. Schwalb. 1961. Beiträge zur Biologie der einheimischen Lampyriden Lampyris noctiluca Geoffr. und Phaucis splendidula Lec. und experimentelle Analyse ihres Beutefang- und Sexualverhaltens. Dissertation, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, S. 550ff.

Dr. Mark Lammers

Institut für Evolution und Biodiversität

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